Weibliche Impulse in und unter der Hauptstadt: Bernauerin präsentiert sich als Kunstwerk
Performance-Künstlerin | |
Veruschka Bohn | |
Website: | www.veruschkabohn.de |
Bewegung für Bahngäste
Stand: November 2023
Wer in Berlin U-Bahn fährt, der kann etwas erleben! Diese Erfahrung, allerdings oft im Negativen, haben schon viele Berliner, Brandenburger und Gäste der Region gemacht. Eine Bernauerin setzt dem nun etwas Attraktives entgegen, nämlich ihren Körper.
Veruschka Bohn ist Initiatorin dieses Projekts, bei dem noch 15 weitere Tanzkünstlerinnen mitwirken. Sie präsentieren sich hier auf den großen
Videowänden als menschlicher „Hingucker“. Die Neu-Bernauerin freut sich, wenn sie auf diese Weise begeistern kann und zugleich Diskussionen anregt. Denn sie ist in
Bewegung zu erleben. Das
bedeutet: Sie „verrenkt“ sich in
Posen, die staunen lassen, wie man so gelenkig sein kann.
Unglaublich flexibel
Die 36-Jährige präsentiert ihren Körper gerne als „Kunst“. Dies macht sie in Videoaufnahmen von sich selbst oder auf der Bühne. Veruschka Bohn hat „Performance“ zur wichtigen Ausdrucksform ihrer künstlerischen Arbeit gemacht. Was sie zur Aufführung bringt, übt sie erstmal zuhause im „stillen Kämmerlein“ ihres modernen lichtdurchfluteten Appartements um die Ecke vom Friedenstaler Platz oder an
öffentlichen Orten. „Ich lasse die Kräfte durch meinen Körper strömen. Die Bewegungen ergeben sich daraus von selbst, sofern man dies unverkrampft zulässt.“
Daraus entstehen Videos, Auftritte oder dreidimensional wirkende Fotos, die Schaukästen in Berlins quirliger Mitte
zu Aufmerksamkeit verhelfen. Sie ist derart gelenkig, dass
sie sicher gute Chancen als
Zirkusartistin hätte.
Von Taiwan nach Bernau
Dass Bernau in den Genuss kam, diese ungewöhnliche Künstlerin für die Stadt zu
„gewinnen“, verdankt es der
China vorgelagerten, westlich orientierten Insel Taiwan. „Ich habe dort in der Millionenmetropole Kaohsiung erlebt, dass die Menschen trotz der Enge und Hektik einer pulsierenden Großstadt ungewöhnlich achtsam miteinander
umgehen. Es war ein Schock, im coolen Berlin-Kreuzberg, wo ich damals wohnte, etwas ganz anderes zu erleben. Selbst, wenn man hier in einen Park geht, bekommt man den Kopf nicht frei und ist vor
Anpöbelei nicht gefeit.“
Abgehärtet
Es bedeutet also ein großes Lob für Bernau, dass Veruschka Bohn sich hier so gut aufgehoben fühlt. Dabei ist die Künstlerin durchaus hart im Nehmen. So berichtet sie von ihrer Vorliebe für die Naturseen in der Region, wo sie selbst bei kalter Witterung bis in den
Oktober hinein schwimmen geht. Da hilft ihr die große Welterfahrung: Sie verweist darauf, dass sie in Neuseeland Rugby gespielt hat. Sie ist im Kampfsport erfahren, war im Fechten aktiv und Cheerleaderin. „Ich wollte erleben, welch mentale Stärke und Konzentration nötig sind, um sich derart mit anderen abzustimmen, dass man es schafft, eine menschliche Pyramide zu bauen“, begründet sie den Schritt.
Mit Kunst gegen Krisen
Für Veruschka Bohn ist Kunst vielfach ein Weg, um aus Krisen und Rückschlägen wieder neue Kraft zu schöpfen. „Ich habe bereits als Achtjährige traumatische Erfahrung mit dem Verlust eines nahen Angehörigen machen müssen“, nennt sie ein Beispiel.
Sie wuchs in einem kleinen Dorf bei Wiesbaden auf, „wo man immer im Blick der Nachbarn war“. Es folgte das Kunststudium in Offenbach mit den Schwerpunkten Malerei und Film. „Obwohl es gar kein
Unterrichtsfach war, konnte ich mit einer Abschlussarbeit in Performance mein Diplom erreichen. Ich wusste schon früh, dass ich keine Filme mit großer Crew und aufwendiger Technik drehen möchte.“
Bakterien im Blick
Neben ihrem „persönlichen“ Einsatz als darstellende Künstlerin überzeugt sie mit feinem Pinsel, Tusche sowie Feder. Daraus resultieren dezente Zeichnungen. Oftmals steht der menschliche Körper im Vordergrund. Ganz neu hat sie das Thema „Bakterien“ für sich entdeckt: „Die haben kein
Gesicht, bewegen sich offenbar planlos und können doch so viel bewirken. Es muss also kein Körper vorhanden sein, um etwas in Gang zu bringen“, bringt sie dies auf den Punkt. Der „Lauf der Dinge“ lässt sich hier also genauso gut beobachten, wie in ihren Präsentationen des eigenen Körpers als Performance.
Allerdings haben die Videos, in denen die Bernauerin sich selbst in den U-Bahnhöfen zeigt, sicher auf den ersten Blick mehr Zuspruch als eher unscheinbare Bakterien.