„Ordentlich verurteilt und effektiv verbrannt!“
Arbeitsgruppe Hexen-Rehabilitation | |
Sören-Ole Gemski | |
Telefon: | 0 33 38/83 50 |
Mit Hexen ins Fernsehen
Stand: November 2017
Mit Hexen ins Fernsehen, das schaffte Bernau ausgerechnet im Luther-Jahr 2017.
Denn neben dem 500. Jahrestag der Reformationsthesen konnte die Stadt mit dem
mittelalterlichen Kern auf ein weiteres „Jubiläum“ hinweisen. Vor 400 Jahren erlebte Bernau die erste große Welle von Hexenverbrennungen.
Dass man dieses Unrecht jetzt aufarbeiten wollte, sorgte für viel Aufsehen in Brandenburg und Deutschland!
Bernau wollte, angeregt durch Pfarrer Hartmut Hegeler, Vorreiter bei der Rehabilitierung verfolgter Hexen werden.
Nach erstaunlich hitziger
Debatte in der Stadtverordnetenversammlung gab es insbesondere unterstützt von
den Fraktionen der SPD, der Linken und von Grüne/Piraten den Auftrag an Sören-Ole Gemski, mit einer Arbeitsgruppe Licht in die damaligen Vorkommnisse zu bringen.
Breites Spektrum
Mit dabei waren die Wandlitzer Künstlerin Annelie Grund, die 2005 das Hexendenkmal an der Bernauer Stadtmauer schuf, Bernd Eccarius-Otto als Leiter vom Heimatmuseum, Dr. Birgit Schädlich vom Verein „Bildung-Begegnung-Zeitgeschehen“ und Konstanze Werstat als Pfarrerin von der evangelischen St. MarienKirche. Linken-Stadtverordneter Sören-Ole Gemski sollte die Arbeitsgruppe koordinieren. Der Diplom-Historiker mit dänischen Wurzeln durch seine aus Kopenhagen stammende Mutter brachte nordische Nüchternheit und die Kompetenz des gelernten Geschichtswissenschaftlers ein. Zudem hat er als geborener Bernauer viel Fingerspitzengefühl für „seine“ Stadt.
Mittelalter adé!
Ziemlich schnell erkannte das Gremium, dass das Thema
tatsächlich viel Brisanz barg. „Die Hexenverfolgungen hatten überhaupt nichts mit dem Mittelalter zu tun. Sie fanden in der Neuzeit statt. Bei uns in Bernau gab es 1617 die erste große Welle der Hexenverbrennungen. Ihnen fielen allein in diesem Jahr vier Personen zum Opfer. Dies waren Regina Krümmel, Barbara Müncheberger, Gertrud Mühlenbeck und Mutter Westphal. Hundert Jahre vorher hatte Martin Luther mit dem Anschlag
seiner Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberge die
Reformation in Gang gesetzt“, hält Sören-Ole Gemski vor
Augen.
Kleine Eiszeit
„Wichtige Ursachen“ für diese aufkommenden Verfolgungen von Nachbarn und Mitbürgern war die Verunsicherung der Menschen durch den 30-jährigen Krieg. Zudem gab es damals eine ‚kleine Eiszeit’. Ernten fielen aus, Hungersnöte waren die Folge. Für dieses unermessliche Leid suchte man Erklärungen und vor allem Schuldige. Diese fand man in Menschen, die
anders waren. Vielfach ging es um Neid, man wollte Konkurrenten loswerden wie eine neu-zugezogene Bäckerfamilie. Es ging manchmal um Sex, oft um Missgunst und Neid“, fand die Arbeitsgruppe
heraus.
„Dies war keineswegs nur ein rückschrittliches katholisches Phänomen. So war Martin
Luther ein Hexenfeind. Tobias Seiler, der 1736 eine Chronik der Stadt Bernau verfasste, fand, dass es ruhig etwas
mehr Hexenprozesse hätten sein können. Er wollte sie ‚mit Stumpf und Stil’ ausrotten!“
Streng nach Gesetz
Ein Grund für das gute
Gewissen der Bürger bei den grausamen öffentlichen
Verbrennungen, meist bei
lebendigem Leib, liegt darin begründet, dass alles „streng nach Gesetz“ ablief.
„Es gab transparente Prozesse. Das protestantische
Bernau hatte eine eigene
Gerichtsbarkeit. Die Urteile wurden entsprechend dem geltenden Recht gefällt und von Bernau sogar oftmals zur Begutachtung an andere Gerichte, etwa nach Magdeburg, weitergegeben“, hatte das Gremium zum eigenen
Erstaunen weiter herausgefunden.
Bundesweit zu sehen
Die Stadt Bernau machte mit diesen sehr weitreichenden
Ergebnissen zur eigenen Überraschung bundesweit
Schlagzeilen.
„Zumindest in Brandenburg sind wir die ersten, die die verurteilten Hexen, es waren bei uns soweit wir wissen
25 Frauen und drei Männer,
rehabilitiert haben. Es wurde sogar an eine gerichtliche Wiederaufarbeitung gedacht. Doch das wurde dann als nicht machbar verworfen, da Napoleon 1806 durch Einführung des französischen Code Civil in Preußen die
Gerichtsbarkeit unterbrochen hatte“, verweist Sören-Ole Gemski auf die Rechtsauffassung von Klaus Mlodochowski.
Der pensionierte Richter war in Bernau für die „Kammer für Rehabilitierung“ am örtlichen Amtsgericht zuständig. Er hatte sich im Rahmen der Arbeitsgruppe mit diesem Thema befasst.
Die spannenden Erkenntnisse über dieses „finstere Kapitel der Stadtgeschichte“
sollen jetzt unter Federführung von Dr. Birgit Schädlich in einer Broschüre im Detail zum Nutzen aller veröffentlicht werden. Sie ist als rührige Leiterin des Vereins „Bildung-Begegnung-Zeitgeschehen Bernau e.V.“ bekannt, der immer wieder mit
Themen aus der Vergangenheit auf Probleme von heute verweist.